Wachsamkeit und Zivilcourage

Veröffentlicht am 12. Mai 2020

Wegen der Pandemie konnte der 75. Tag der Befreiung vom Naziregime Hitlers nicht öffentlich begangen werden. Soll dieser Tag überhaupt gefeiert werden? Oder soll man sich nicht eher in stiller Scham und Betroffenheit erinnern.

Keine Frage, dass die jährlichen Festakte unabdingbar sind und darüber hinaus, denn es soll derer gedacht werden, die an jenem 8.5. 1945 tatsächlich befreit wurden. Aus den Konzentrationslagern befreit wurden, wo sie die persönliche Pein überlebten, genauso wie all jenen, die auf unsagbar grausame Weise umgebracht wurden. Es soll daran erinnert werden, dass aus dem Wahn des Rassismus schnell ein perfides System entstand und von deutschem Boden über ganze Kontinente ein entsetzliches Töten und Morden geschah.

Nicht alle waren beteiligt damals, doch sicher ist, dass es eine große duldende Mehrheit und auch viel zu viele gab, die aktiv sich an den Verbrechen beteiligten und den Faschismus zuvor auch gesellschaftsfähig machten. Die Nachgeborenen die in Frieden und Demokratie geboren und aufgewachsen sind. sollten sich vergegenwärtigen, wie schnell es gehen kann und wie sehr die Demokratie davon abhängt, ob jeder Einzelne sich seiner Verantwortung bewusst ist: nie mehr Krieg, nie mehr Faschismus, Kampf dem Rassismus.

„Seid wachsam und empört euch“, so der Buchtitel von Stephane Hessel, der den Krieg als Widerstandskämpfer überlebte und später als Diplomat sich für die Werte der Zivilgesellschaft in Europa engagierte. Das war vor knapp zehn Jahren und gilt heute leider noch einmal mehr.

Zivilcourage ist gefragt. Keiner darf wegschauen, wenn ein Mensch mit anderer Hautfarbe, anderer Religion, aus einem anderen Kulturkreis oder mit seiner Sexualität lächerlich gemacht, beschimpft, bedrängt oder verletzt wird, wenn wieder Morde aus rassistischen Motiven sich mehren und wenn diese verharmlost werden.

Aufstehen gegenüber Faschismus in Wort und Tat. Alles andere lässt uns nämlich, ebenso wie es die vielen unbedarften Mitläufer damals mitschuldig gemacht hat, ohne dass sie es wollten, zu Mittätern werden. Im Leben reicht es nicht aus, etwas nicht gewollt zu haben, man muss es verhindern.

Ein Text von Andrea Collisi

 

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